Villa Bucholtz

Die Villa Bucholtz, ihr Namensgeber und Erbauer Landrat Wilhelm August Bucholtz und seine Nachfolger

 

Gekürzter Auszug aus dem HEIMATBRIEF 33 Nr. 208: September/Oktober 2009

 

Bei einer Tagung der Heimatvereine der Region Borken kam aus dem Heimatverein Ramsdorf die Frage, ob es nicht sinnvoll sei, die Geschichte der alten Häuser in den Städten/Gemeinden zu erkunden und aufzuschreiben.

Der Borkener Anwalt und Notar Paul Bernd Veelken hat sich schon seit längerer Zeit mit diesem Thema beschäftigt und „Porträts“ einiger Häuser in Borken zusammengestellt. Ein Beispiel, die „Villa Bucholtz“, finden Sie nachstehend.

 

Die Villa Bucholtz, Heidener Straße 45, Borken von Paul Bernd Veelken, Borken

Westansicht der Bucholtzvilla von der Heidener Straße aus mit der im Herbst 2015 errichteten Sonnenterrasse des Restaurants „Tsvaipunktnul“

Die Villa Bucholtz wurde 1887 von dem Königlichen Landrat Wilhelm August Bucholtz (1830 - 1911) an der Heidener Chaussee gebaut; die Windfahne auf dem Mittelrisalit trägt diese Jahreszahl.

Am 13.02.1830 wurde Wilhelm Bucholtz in Münster als Sohn der Eheleute Maximilian Bucholtz und Klara geb. Reining geboren. Sein Vater war Generalvikariatssekretär. Die Familie Bucholtz war seit Zeiten der fürstbischöflichen Herrschaft stets mit staatlichen Aufgaben befasst und gab diese Aufgaben von Generation

zu Generation weiter. Die einflussreiche Familie unterhielt auf diese Weise viele Beziehungen zum Adel. Wilhelm Bucholtz schloss nach dem Besuch des Gymnasiums in Münster das Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Heidelberg mit 22 Jahren ab und wurde 1852 zum Auskultator beim Königlichen Kreisgericht in Münster 

ernannt. Nach beruflichen Stationen in Münster und Potsdam wurde er 1868 Regierungsassessor in Münster.

Wegen des Krieges zwischen Preußen und Österreich unterbrach er von Mai bis August 1866 seinen Dienst, um an dem Feldzug teilzunehmen. Nach dem Sieg Preußens in der Schlacht von Königgrätz wurde Bucholtz als Hauptmann der Landwehr verabschiedet. 1871 heiratete Bucholtz die vermögende Großgrundbesitzerin Maria Breving (1853 - 1923) aus Rhede. [….]

1870 starb der Landrat des Kreises Borken Ferdinand Freiherr von Hamelberg.

Bucholtz war zunächst dessen kommissarischer Nachfolger. Seine endgültige Ernennung zum Landrat des Kreises Borken wurde am 3. Februar 1871 in Versailles unterzeichnet, wo sich der – inzwischen zum deutschen Kaiser proklamierte preußische König Wilhelm I aufhielt.

Von Hammelberg hatte 1856 das Landratsamt von Borken nach Bocholt verlegt. Bocholt war damals schon die größte Stadt des Kreises und hatte fast doppelt soviel Einwohner wie Borken. Der Landrat musste aber jeden Monat einen Sprechtag in Borken halten, wo die Kreistagssitzungen nach wie vor stattfanden.

In einer seiner ersten Entscheidungen verlegte Bucholtz 1870 das landrätliche Büro wieder nach Borken zurück, wo es seitdem geblieben ist.

Durch die Neugestaltung des Vorgartens und das moderne Außenbeleuchtungskonzept in Abstimmung zur Innenbeleuchtung gewinnt die Villa Bucholtz ihre optische Prominenz zurück

[….] Das Zeitalter der Industriealisierung bewirkte ein starkes Repräsentationsbedürfnis der oberen gesellschaftlichen Schichten. Wirtschaftliche und politische Macht dokumentierten sich durch die privaten Wohnhäuser einflussreicher Bürger. So auch beim Landrat Bucholtz.

 

Wilhelm Bucholtz wählte 1886 für sein Wohnhaus das repräsentative Grundstück an der von ihm geschaffenen Heidener Chaussee, nämlich an deren Kreuzung mit der vom

 Mühlentor kommenden Butenstadt ( Anm.: sowie der heutigen Von Basse Straße). Bucholtz eröffnete einen regelrechten Bauboom.

In wenigen Jahren entwickelte sich die Heidener Straße zu einem Villenviertel, in dem sich, wie Perlen auf der Schnur, die Villen der wohlhabenden Textilindustriellen auf großzügigen Grundstücken aneinander reihten.

Die Villa Bucholtz ist nach italienischen Vorbildern errichtet und weist Stilformen der Renaissance auf, die wiederum auf Stilelemente der Antike zurückgreifen.

Wilhelm Bucholtz liebte Italien. Einfluss auf den italienischen Renaissancestil seiner Villa nahmen sicher seine Reisen in die Region des Lago Maggiore in Oberitalien, auf denen er seinem – unbekannten – Baumeister Wünsche und Vorstellungen bezüglich des künftigen Wohnsitzes diktiert haben soll. Der als Historismus bezeichnete Stil des ausgehenden 19. Jahrhunderts greift auf das Formenrepertoire vergangener Epochen zurück. Bei der Villa Bucholtz griff der Bauherr auf historische Renaissanceformen zurück.

Eine der Renaissance nach-empfundene Villa wurde als Inbegriff des wohlorganisierten, mit Bequemlichkeit versehenen Lebens angesehen.

Die Fassade des Hauses sollte einem ästhetischen Anspruch genügen und die Würde der Hausherrn zum Ausdruck bringen. Im oberen Abschluss des Mittelrisalits sind die Familienwappen Bucholtz und Breving in Manier von Adelswappen abgebildet.

Auf dem Wappen der Familie Bucholtz sind drei Buchen, auf dem der Familie Breving ein Vogel (Rabe?) zu sehen.

Die Wohnräume dienten der Repräsentation. Wohnzimmer, Herren-, Damen-, Speisezimmer und Salon erhielten einen umlaufenden Stuckfries im oberen Wandbereich, an deren Anschluss sich Wand- und Deckenmalereien befanden. Die jetzt noch spärlich erhaltenen Wandmalereien sind in Motivwahl und Farbgebung auf die einzelnen Räume abgestimmt. Treppenhaus, Vertäfelungen und Türelemente sind aus Eiche. Alle Fensteröffnungen im Erdgeschoss ließen sich durch innenliegende Holzläden verdunkeln und die Wohnräume vor Kälte isolieren. Beheizt wurde das Haus mit Kachelöfen, die teilweise noch erhalten sind. Grundstückslage und – größe gepaart mit herrschaftlicher Ausstattung des Gebäudes dokumentierten die Finanzkraft des Bauherrn, seinen sozialen Rang und sein Bestreben, dem herrschenden Adel ebenbürtig zu sein.

 Die Stadt Borken und die Bürgerschaft rechneten Bucholtz seine Verdienste, insbesondere die Zurückverlegung des Landratsamtes, hoch an und ernannten ihn zum Ehrenbürger der Stadt Borken. Sein fünfzigjähriges Dienstjubiläum wurde vom Rat und Bürgerschaft mit Fackelumzug, Konzert und Ansprachen festlich begangen.

1904 trat Bucholtz als Landrat Geheimer Regierungsrat und versehen mit dem Roter- Adler-Orden und dem königlichen Orden am blauen Band in den Ruhestand.

Er verstarb 1911 im Alter von 81 Jahren. Auf seiner Gruft auf dem Borkener Friedhof findet sich folgende Inschrift, die seinen Lebensweg schlagartig beleuchtet:

Königlicher Landrat

Wilhelm August Bucholtz

Geheimer Regierungsrat

Hauptmann der Landwehr

Ritter hoher Orden

Ehrenbürger der Stadt Borken

1830 – 1911

Erbe wurde sein Sohn Amtsgerichtsrat Dr. Franz Bucholtz (1877 - 1953), der 1922 die Villa mit seiner Ehefrau Adele geb. Huising bezog. Dr. Franz Bucholtz war von 1922 - 1934 Leiter des Amtsgerichts Borken. Dr. Franz Bucholtz und seine Frau galten als sehr sparsam. Schmunzelnd erzählte sein späterer Nachfolger Oberamtsrichter Erich Lenze, dass sich das Ehepaar Bucholtz in der kalten Jahreszeit abends im amtsgerichtlichen Dienstzimmer aufgehalten habe, um zu Hause die Heizkosten zu sparen. Die Ehe Dr. Franz Bucholtz blieb kinderlos. 1950 starb Adele Bucholtz; ihr Mann 3 Jahre später.

Anschließend fiel die Besitzung nach mehreren Erbgängen an die Erbengemeinschaft Ulrich und Monika Keller, von der der Borkener Bauunternehmer Josef Ehling (1935 - 2014) die Villa erwarb.

Josef Ehling , von 1984 - 1999 Bürgermeister der Stadt Borken, renovierte die inzwischen unter Denkmalschutz stehende Villa mit großer Sachkenntnis und rettete sie vor dem Verfall.

Heutiger Eigentümer ist Constantin Freiherr Heeremann von Zuydtwyk, Hörstel von 1967 - 1997 Präsident des Deutschen Bauernverbandes . Der Umbau des Untergeschosses 2015 durch den jungen Gastronomen Jan Schepping zu einem Restaurant besonderer Prägung mit Sonnen-terrasse wurde nicht zuletzt auch durch das außerordentliche Engagement des Eigentümers möglich.

Quellenangabe: 36 HEIMATBRIEF Nr. 208 / September/Oktober 2009 –Herausgeber: Kreis Borken